Damenkomitee Honigsmöhne Bonn e.V. von 1889

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Nachtwächtertour 2010
su soh dat us

Archiv 2010

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Honigsmöhne auf nächtlicher Schleichtour

von Marie-Luise Mäurer

Zu Beginn der grauen Jahreszeit, nämlich am 03.10.2010, hatten die Honigsmöhnen wieder ein Heileit auf der Pfanne, das bärenstark war. Es begann im „Stiefel“ beim Laternen- schmaus, wo sich eine stattliche Anzahl Möhnen trafen. Teilweise hatten sie zur Verstärkung ihre besseren Hälften mitgebracht. Zunächst aber zauberte der Küchenchef gar Deftiges auf den Tisch, das sich so anhöret:

„Grünes Blattwerk mit feinen Kräutlein garnyeret
Allerley Gesottenes und Gebratenes
Mit gutem Sauerkraut im Fasse eingelegt
Und gestampftem Kartoffelbrey
Ein klarer Gebrannter zum Schutze gegen manch Ungemach“!

Natürlich durfte der Gerstensaft nicht fehlen, damit auch alles gut rutschet. Und so genähret traten wir zur späteren Abendstund den Gang zum Brassertufer an, wo noch weitere Möhnen warteten. Übrigens ist dieses Ufer nach dem Berghauptmann Brassert benannt. An ihn erinnert in der Nähe der alten mit Efeu bewachsenen Stadtmauer ein Monument, auf dem ein steinernes weibliches Wesen hockt, deren Gesichtsausdruck man nur so beschreiben kann: „ich weiß nicht, was soll es bedeuten“. In diese dunkle Ecke leuchtete uns Katharina mit ihrer Laterne, historisch gewandet und gab ein paar Hinweise darauf, was uns nun erwartete.

Aus der Stille und Beschaulichkeit klang plötzlich der unverkennbare Ruf: „Hört ihr Leut und lasst Euch sagen“. Eine ungeheure Spannung lag in der Luft. Aus dem Dunkel trat das Original Karl, seines Zeichens Bonner Nachtwächter, im Dress seiner Zeit, mit Hellebarde und brennender Laterne. Unnachahmlich mit seinem gezwirbelten Schnauzbart und seiner bis ins Mark gehenden Stimme, als er uns begrüßte und besonders die Frauensleut zur Demut ermahnte. Denn fortan bewegten wir uns im 17. Jahrhundert und da war unsereins gar arm dran. Kurzerhand drückte er Josef ein kleines Laternchen in die Hand und „gebot“ ihm, als Schlusslicht zu leuchten und ich fungierte mit einer größeren Kerze als Seitenlicht.

Gerne ließen wir uns in Zauberhaft nehmen und folgten ihm ins mittelalterliche Bonn, das damals etwa 4000 Einwohner zählte, hörten Geschichten aus alter Zeit. So lag am Wegesrand das Geburtshaus des bedeutenden Gartengestalters Peter Joseph Lennè. Als Sohn des damaligen Hofgärtners und Inspekteurs des Botanischen Gartens in Bonn aufgewachsen, in Brühl und Paris ausgebildet, revolutionierte er die Gartenbaukunst seiner Zeit.

Er entwarf herausragende Parkanlagen in Preußen, darunter die Kölner Flora, den Berliner Tiergarten und in Potsdam den Park von Sanssouci. König Friedrich Wilhelm IV. ernannte ihn zum General-Gartendirektor der königlich preußischen Gärten. Für die Städtepartnerschaft Bonn-Potsdam war der weltberühmte Rheinländer Lennè eine „ideale Persönlichkeitsbrücke“. Mit seinem beschwörenden Hinweis „Menschenmassen können nichts nützen, Gott muss helfen, Gott muss schützen“ führte uns Karl sodann um das alte Gemäuer herum in den Park des Alten Zolls bis uns eine rote Kerze Einhalt gebot, denn viele Karossen ohne Pferde bewegten sich noch zu dieser Stunde.

Am Koblenzer Tor, einem der früheren Stadttore, hielt er inne und erzählte von den gefährlichen Zeiten, in denen es für einen Nachtwächter keine leichte Aufgabe war, die Stadt vor dem üblichen Gesindel zu bewachen, das sich aus Angst vor Bestrafung oft auf die Godesburg ins nahe Godesberg retten konnte. Religiöse Auseinandersetzungen zwischen Katholiken, Lutheranern und Kalvinisten waren von Übel. Auch bedrohten Krieg und Feuer das Dorf Bonn. Und da konnte Karl viel erzählen aus seinem Dienst. Wie sich ausgerechnet die Holländer 1620 auf einer Insel vor Graurheindorf die „Pfaffenmütz“, eine ihrer Form wegen so benannte Schanze, erbauten, um den Rhein zu sperren und bis 1623 Dörfer in der Umgebung zu bedrängen.

In dieser Zeit bedurfte es schon einem hartgesottenen Mann, der eine Ahnung hatte von Tuten und Blasen. So machten dem Nachtwächter dereinst auch die Stadtmauern Sorgen, die dringend eine Verstärkung brauchten. Bis endlich der damalige Kurfürst Ferdinand mit dem Ausbau der Festungswerke begann und vor den mittelalterlichen Mauerring moderne Bastionen anlegen ließ. Drei von ihnen zeugen noch heute davon im Stadtbild des 20. Jahrhundert, nämlich Standort Heinrich, Sterntor und Alter Zoll.

Immer an der Wand lang führte uns unser nächtliches Faktotum zum großen Bürgerhaus, erzählte, dass das heutige Rinnsal Godesberger Bach einmal unter den alten Gemäuern Bonns seinen Lauf hatte und die Wumme das Dorf umarmte. Weinreben rankten dort, wo heute der Bahnhof seinen Platz hatte. Er wusste von zahlreichen Sprichwörtern zu berichten, die aus jener Zeit stammen, wie „auf den Hund gekommen“.

Erklärend fügte er hinzu, dass z.B. auf dem Boden einer Truhe ein Hund abgebildet war und wenn der sichtbar wurde, die Vorräte aufgebraucht waren und die Familie in Armut leben musste. Schließlich kamen wir in die Sternstraße, der damaligen Pisternengaß. Letzteres war wohl das Stichwort für einige, flugs das Örtchen aufzusuchen, wohin selbst der Kaiser zu Fuß geht. Zu jener Zeit also gab es in dieser Gasse nur Fachwerkhäuser, wovon heute nur noch das Teehaus am Dreieck zu bewundern ist.

Und schon standen wir vor der Romanischen Säule. Die Skulptur auf ihr ist das alte Landesherrliche Gerichtssymbol der Erzbischöfe und Kurfürsten von Köln und stellt einen Löwen dar, der wahrscheinlich einen Eber schlägt. Als Wappentier hat der Löwe seine Bedeutung für Bonn. In seiner Nähe befindet sich das Sterntor, welches sich im Mittelalter etwa am heutigen Friedensplatz befand. Mit seinen alten Steinen wurde es später liebevoll wieder aufgebaut und an ein noch vorhandenes Stück Stadtmauer gesetzt. Hier angekommen, reichte uns Karl und seine Frau Katharina mit den Worten „Demut zu bewahren“ eine Stärkung, bestehend aus Bier einer Kölner Brauerei, Brot und Gesottenem vom Schwein.

Wenige Meter weiter standen wir vor einem Brunnen, auf dessen Rand die Grundrisse der Residenz-Festung Bonn um 1675 für die Nachwelt festgehalten sind. Und immer noch nicht genug der mittelalterlichen Weisheiten schritt der Herrscher der nächtlichen Gespenster mit uns in den Cassiusgraben unterhalb der Stadtmauer, an der es ein großes Wappen mit zwei Löwen zu bestaunen gab. Von den ärmsten Berufsständen, die da wären Nachtwächter, Henker und Totengräber ist die Rede. Wir hören von der Pest, die auch in unserer Vaterstadt gewütet hat und wie die Menschen aus ihren Häusern getrieben wurden, damit sie ausgeräuchert werden konnten und ihr kärgliches Dasein solange vor den Toren der Stadt fristen mussten. Jammerbar!

Zu guter Letzt standen wir am Pranger, an dem so mancher Tunichtgut mit einem Schild um den Hals darben musste. Warum sich jetzt unser Nachtführer ausgerechnet den Heiner aus unserer Runde fischte, um dies anschaulich zu demonstrieren, weiß nur der liebe Gott.

Alles in allem war es ein gar informativer Abend und bei den Erzählungen konnte einem hin und wieder frösteln. Drum ist die Mär von der Geschicht: Im 17. Jahrhundert leben wollten wir nicht. Denn mir sin Honigsmöhnen mit Schneid und Ihr, lieber Jott erhalt sie mir!